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Interview mit Astrid Vollenbruch vom 16.03.2005

Astrid Vollenbruch
Abb.: Mit frdl. Genehmigung A. Vollenbruch

Hallo Astrid, vielleicht kannst du uns zunächst ein wenig über dich selbst erzählen (Familienstand, Geschwister, beruflichen Werdegang, Hobbys...)

Ich lebe in Königswinter am Rhein mit zwei Meerschweinchen, vielen Büchern und wenig Platz. Meine Familie ist über ganz Deutschland verteilt: mein älterer Bruder lebt in Oberfranken, meine beiden jüngeren Schwestern in Baden und NRW, meine Eltern in der Nähe von Düsseldorf.
Mein beruflicher Werdegang ist eher chaotisch: abgebrochenes Studium, schlecht bezahlter Job, Umschulung zur Verlagskauffrau, mehrere Jahre lang Sekretärin und EDV-Frau für ein paar Zeitarbeitsfirmen, Sekretärin in Festanstellung beim Landschaftsverband Rheinland und bei einem Zeitschriftenverlag, seit 2003 arbeitslos. Alle meine Jobs mussten hinter dem Schreiben zurückstehen und gerade so viel einbringen, dass ich überleben konnte.
Hobbies... mal überlegen. Lesen, Schreiben, Basteln jeder Art, Schreiben, Webseiten bauen, im Netz surfen, Onlinerollenspiel, Schreiben, Flohmärkte... erwähnte ich Schreiben? *G*

Die Resonanz zu deinem ersten Buch ist doch sehr positiv. Womit deine „Auswanderungspläne“, von denen wir bei unserer Recherche gelesen haben und mit denen wir bei „vernichtenden Kritiken“ hätten rechnen müssen, endgültig vom Tisch sein dürften, oder …;0)? Ganz im ernst, wie zufrieden bist du selbst mit dem bisherigen Feedback durch die große drei ???-Leserschaft?

Ok, ich muss nicht auswandern. :) Das bisherige Feedback der Leser bewegt sich zwischen "langweilig, aber solide" und "sehr gut, mehr davon", und damit bin ich sehr zufrieden. Ich hatte mit Schlimmerem gerechnet, weil ich die Fehler des Buches ja kenne. Lustig finde ich die Reaktion einiger Nur-Hörer, die sich weigern, das Buch zu lesen, aber nach der Kritik einiger "Auch-Leser" großmütig bereit sind, ihm "eine Chance" zu geben, und hoffen, dass Europa das Teil schon irgendwie retten wird.
Die Fans auf den reinen Hörspielseiten haben zum Teil noch nicht einmal bemerkt, dass alle drei Frühjahrsbücher bereits erschienen sind...
Ja, ich gebe zu, ich surfe fleißig durch sämtliche auffindbaren ???-Foren. :) Bin eben neugierig. Und ich bin sehr froh, dass das Buch gut ankommt. Ich würde mir mal ein wenig Resonanz auf die Figuren wünschen – ein wenig mehr als "Susan hätte eine neue Allie/Jelena werden können".

Wie entstand die Idee zu deinem Erstlingswerk „Geisterzug“? Hast du dich von eigenen Ideen (z. B. Zugfahrten) inspirieren lassen? Gab es ein besonderes Schlüsselerlebnis mit dem alles begann?

Vor ein paar Jahren habe ich mich näher mit dem Bau der Transkontinentalen Eisenbahn in Amerika beschäftigt und fand das Thema hoch spannend – was umso merkwürdiger ist, als ich mich niemals für die riesige Modelleisenbahn meines Vaters und meines Bruders interessiert habe. Damals fand ich, dass dieser Eisenbahnbau ein großartiger Hintergrund für jede Menge Geschichten wäre (finde ich immer noch). Vor allem die Rolle der Chinesen war einiges an Nachforschungen wert, und das Thema wird mich sicher noch eine Weile nicht loslassen. 
Als ich dann über ein mögliches Thema für ein ???-Buch nachdachte, fiel mir diese Idee ein, und als ich feststellte, dass die Eisenbahn bisher bei den Fragezeichen nicht vorkam (da M.V. Careys "Ghost train" ja leider nie veröffentlicht wurde), entschloss ich mich, diese Lücke zu schließen.

Wie lange hast du am „Geisterzug“ geschrieben?

Ich habe zuerst zwei Wochen lang Müll und Szenenfetzen produziert und dann das ganze Buch innerhalb von vier weiteren Wochen geschrieben. Mein persönlicher Rekord.

Wie bist du in deinem ersten drei ???-Buch mit der vom Verlag vorgegeben 128 Seiten Grenze zu recht gekommen? Musstest du sehr viel kürzen? Ist es dir sehr schwer gefallen, das eine oder andere wegzulassen?

Ich trauere noch immer um die Verfolgungsjagd mit zwei Lokomotiven, Susans Entführung durch den Bösewicht und den Besuch beim chinesischen Totenschrein, die allesamt rigoros raus geschnitten werden mussten. Von mir aus hätte das Buch gerne doppelt so viele Seiten haben können.

Deine erste Geschichte spielt ja außerhalb von Rocky Beach und Umgebung. Findest du Geschichten spannender, in denen die drei Detektive außerhalb ihres gewohnten Umfeldes (Zentrale, Schrottplatz etc.) agieren (müssen)? 

Nein, nicht unbedingt. Ich mag den Schrottplatz wegen der Atmosphäre und den unendlichen Möglichkeiten, einen Fall ins Rollen zu bringen, und ich finde die Zentrale genial. Es ist genau die Art von Umgebung, die mich als Kind gereizt hätte – nicht zu außergewöhnlich, aber tausendmal interessanter als irgendein Reihenhaus.
Wenn aber der Fall es fordert, dass sie anderswo herumschnüffeln, finde ich es auch in Ordnung. Man muss nicht immer auf derselben Stelle hocken.

Von einer Sache waren wir sehr positiv überrascht. Dein erstes Buch hat uns von der Art der Geschichte sehr an die „alten“ klassischen drei ???-Abenteuer erinnert. War das beabsichtigt, oder purer Zufall?

Das war Absicht – wie gesagt, ich habe mir die Freiheit genommen, diese Lücke zu schließen. Deshalb sind die Jungs auch ein wenig jünger dargestellt. Handy, Laptop und Computerspiele habe ich eingebaut, damit es nicht ganz so sehr auffällt, wie altmodisch diese Geschichte eigentlich ist. :)

Hast du Namen des alten Museumszuges „Sequoia“ im Hinblick auf die indianische Bedeutung bewusst ausgesucht, oder gefiel dir einfach nur der Name?

Sequoia ist erstens ein toll klingendes Wort und zweitens der Name des Nationalparks, an dessen Rand die Geschichte spielt. Ich muss zugeben, dass ich mir über die indianische Bedeutung nicht viele Gedanken gemacht habe. Ich weiß nur, dass ein Häuptling so hieß.

Gibt es etwas an deinem „Erstlingswerk“ was du selbst nicht so gelungen findest und im Nachhinein lieber anders geschrieben hättest?

Im Nachhinein ärgere ich mich, dass ich erst massenweise Plastiksprengstoff ranschleppe und dann Reno mit einem Benzinkanister zum Museum schicke. Er hätte einfach alles verminen sollen. In der Hitze wäre nämlich erstens das Benzin viel zu schnell verflogen und zweitens die Wachsfiguren geschmolzen.
Was ich aber liebe, ist die – wenn auch kurze – Fahrt der Jungen mit der Draisine.

Stimmt es dass du, sozusagen als Vorbereitung auf dein erstes Buch, ALLE bisherigen drei ???-Bücher gelesen hast? Falls ja, gibt es ein Buch aus der „Klassiker-Ära“ oder auch von den neuen Abenteuern, welches dir vom Stil, der Atmosphäre oder vom Inhalt her besonders gut gefallen hat? (Wenn ja, welches und warum – gibt es vielleicht sogar ein Lieblings drei ???-Buch?)

Ja, ich habe alle vorher erschienenen Bände gelesen, weil ich wissen wollte, welche Themen schon vorgekommen sind, wie die allgemeine Stimmung ist, welche kleinen Details ich aufgreifen kann – eben Recherche. Zum Glück lese ich sehr schnell. Dabei habe ich mich aber nicht auf die Geschichten selber konzentriert, sondern mehr auf Hintergründe und Handwerk, so dass ich sehr vieles schon wieder vergessen habe.
Ich mag das Gespensterschloss und den seltsamen Wecker wegen der skurrilen Ideen und der genialen Lösungen. Und eigentlich fast alle Bücher von M.V. Carey und André Marx.

Gibt es einen Charakter aus der Welt von Justus, Bob und Peter, den du besonders gerne magst? Welchen und warum?

Onkel Titus, der ständig mit Begeisterung unbrauchbares Zeug heranschleppt und seinem Neffen erlaubt, einen doch recht großen Bereich des Schrottplatzes für sich zu nutzen. Und Tante Mathilda, die meiner Meinung nach ein Musterbeispiel heroischer Selbstüberwindung und wahrer Güte ist, weil sie niemals versucht, die Zentrale durch eine Aufräumaktion zu entweihen. :)

Hast du als Schriftstellerin Vorbilder aus der „schreibenden Zunft“? Gibt es einen Autor / eine Autorin, deren Art zu schreiben du besonders magst oder dessen Werke du besonders gerne liest?

Im Fantasy-/SF-Bereich mag ich J.R.R. Tolkien wegen der detaillierten Ausarbeitung seiner Welt, Patricia A. McKillip wegen der Schönheit der Sprache, Mervyn Peake wegen der Verrücktheit der Figuren und C.J. Cherryh wegen der genialen Vielschichtigkeiten der Figuren, Motive und Ebenen.

Hast du besondere Rituale beim Schreiben?

Ich brauche leise, ruhige Musik und einen großen Bottich Milchkaffee.

Wie ist, mal abgesehen von André Marx, der Kontakt zu den anderen Autoren?

Bisher besteht noch kein Kontakt, aber ich hoffe, dass sich das irgendwann ändert.

Wie war die Zusammenarbeit mit André Marx zum Buch „Labyrinth der Götter“?
Vielen Dank übrigens, dass du André überzeugt hast, den Meteoriten raus zunehmen…;o)

Gern geschehen. *G* Ich möchte mal mit dem Aberglauben aufräumen, dass ich besonders viel zu diesem Buch beigetragen hätte. Ich habe kein einziges Wort geschrieben und die Geschichte nicht einmal probe gelesen.
Meine Mitarbeit beschränkte sich auf das Telefonat, in dem wir die Ideen besprochen, abgeklopft, verworfen und wieder aufgenommen haben, bis uns die Köpfe rauchten und die Ohren abfielen.


Können wir uns im kommenden Herbst auf ein zweites Buch von dir freuen?  Gibt es überhaupt schon Pläne für ein zweites Buch? Was erwartet uns zukünftig? Kannst du uns schon eine „Klitzekleinigkeit“ verraten?

Nein, im Herbst ist nichts von mir dabei. Ich schreibe gerade am zweiten Buch und möchte mir diesmal etwas mehr Zeit lassen als für den Geisterzug. Und verraten möchte ich noch nichts, weil sich alles noch ändern kann.

Auf deiner Internetseite www.innenwelten-verlag.de haben wir gesehen, dass du eine sehr vielseitig interessierte Frau bist. Unter anderem schreibst du seit einiger Zeit an einem Fantasyroman. Gibt es sonst noch Projekte abseits der drei ??? – Welche?

An fertigen Texten habe ich nur "Die Agenten des Galaktischen Geheimdienstes" auf meiner Webseite. Das ist eine völlig gestörte kleine SF-Geschichte (beendet 1991), die ich aber sehr mag. Weitere Schreibprojekte gibt es zurzeit nicht oder nur unter "ferner liefen".

Auf deiner Homepage kann man problemlos ein paar sehr interessante Stunden verbringen. Aus eigener Erfahrung wissen wir, dass ein solches Projekt zwar sehr viel Spaß macht, aber teilweise auch recht Arbeitsintensiv ist. Wie viel Zeit investierst du selbst in deine eigene Seite? Managest du das alles alleine oder hast du jemanden, der dir hilfreich zur Seite steht?

Das mache ich allein. Und da ich von Programmierung keine Ahnung habe und alles mühsam in HTML aufbaue, gibt es auch massenweise tote Links, fehlende Bilder und mittendrin abgebrochene Projekte.
Außerdem kann ich mich nicht auf ein einheitliches Design einigen. Deshalb sehen die einzelnen Bereiche alle unterschiedlich aus. Zurzeit investiere ich höchstens ein paar Minuten pro Woche, um die Neuigkeiten zu aktualisieren. Aber wenn mich der Ehrgeiz packt, können es auch bis zu zehn Stunden am Stück sein.

Bei unserer Recherche begegnete uns immer wieder der Begriff der „Weltenbastler“ (u. a. als Widmung in deinem Buch oder auf deiner Internetseite). Was hat es damit auf sich?

Der Weltenbastler-Webring ist ein Zusammenschluss von Leuten, die ihre eigenen Welten erschaffen und bevölkern. Manche Welten sind an Tolkiens Mittelerde angelehnt, haben sich aber im Lauf der Zeit weit davon entfernt. Andere sind völlig eigene Kreationen mit zum Teil aberwitzigen Ideen und phantastischen Kreaturen. Beileibe nicht alles ist Fantasy - Science Fiction, alternative Erden, Steampunk und vieles andere ist ebenfalls vertreten. Die Welten sind zum Teil als Rollenspiel- oder Geschichtenhintergrundwelten entstanden, zum Teil "einfach so" und aus der Frage heraus: "Was wäre, wenn...?"
Welten mit zwei Sonnen, Welten in Scheiben-, Football- oder Kegelform, Welten ohne Menschen, Welten mit und ohne Magie, ein gemütliches Biedermeier-SF-Universum, eine detailliert ausgearbeitete Stadt oder Insel, ein Weltenraumschiff - mehr als 90 Welten gehören dem Webring an, und bei jeder lohnt sich ein stundenlanges Herumstöbern in Sprachen, Landkarten, Flora, Fauna, Geschichte oder Völkerkunde.
Das Tolle beim Weltenbasteln ist, dass man in jedem Bereich ständig etwas Neues lernt. Im Weltenbastlerforum diskutieren wir über naturwissenschaftliche und technische Themen ebenso wie über die literarische Form der Darstellung oder Astrophysik - ganz gleich, ob die Grundlage nun realistisch oder völlig abgedreht ist.
Ziemlich häufig finden Treffen überall in Deutschland statt, auch die österreichische Fraktion lud schon nach Wien ein, nur bis in die Schweiz haben wir es noch nicht geschafft.
Nachdem ich dort erzählt hatte, dass mein ???-Buch vom Verlag angenommen wurde, haben sich nicht nur fast alle Weltenbastler als ???-Fans zu erkennen gegeben, sondern mir auch jede Menge Ermunterung und Zuspruch verpasst, und dafür habe ich mich in der Widmung bedankt.

Des Weiteren hast du u. a. ein paar wunderschöne Bilder aus Wales auf deiner Seite. Bist du Fan der britischen Insel? Falls ja, würde sich da nicht ein Comeback der „grünen Insel“, sprich der beiden irischen Brüder Patrick und Kenneth anbieten? Wir haben gelesen, dass du beide liebend gerne „reaktivieren“ würdest? Mehr als nur ein Wunschgedanke?

"Liebend gern" ist übertrieben, aber ich frage mich, warum sie damals gestrichen wurden. Onkel Titus wird nicht jünger, und Justus geht irgendwann aufs College – selbst wenn wir als Autoren und Leser wissen, dass es nie soweit kommen wird, weiß Onkel Titus das ja nicht und sollte sich mal über die Zukunft Gedanken machen. Ich bin der Meinung, dass ein oder zwei Helfer auf dem Schrottplatz dringend nötig wären – ob das nun Patrick und Kenneth sein müssen, darüber kann man sich streiten.
Und ich bin kein Fan der britischen Insel per se, aber ich bin Wales-Fan. :)

Wie empfindest du den aktuellen „Trubel“ um deine Person? Hast du es dir so vorgestellt? Hält es sich noch in Grenzen? Bist du im Nachhinein froh, dass du dich dazu entschlossen hast, ein Manuskript an den Kosmos-Verlag zu schicken?

Schwierige Frage. Doch, ja, ich bin schon froh darüber – immerhin kann ich dadurch jetzt endlich vom Schreiben leben. Was mich sehr irritiert, ist, dass plötzlich meine Freunde und meine Familie Autogramme von mir haben wollen. Aber ich gewöhne mich allmählich daran, meinen Namen in den ???-Foren stehen zu sehen. Weiter muss der Trubel aber nicht gehen. Ich möchte nicht "berühmt" sein, ich möchte bloß schreiben.

Vielen lieben Dank für deine Geduld – wir hoffen du musstest nicht all zu viele Fragen zum x-ten Mal beantworten. 

Viel schlimmer. *G* Ihr habt Fragen gestellt, die schon deutlich tiefer graben als die anderen.

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